Heute ist mir eine spannende Frage begegnet. Wie kann man Scanner-Persönlichkeiten von AD(H)S bei gleichzeitiger Hochbegabung unterscheiden?

Ich möchte dich hier auf eine Reise mitnehmen, die dir einige Anhaltspunkte geben kann. Es ist meine Reise.

Anders war ich schon immer. Ich weiss nicht, wie oft ich zu hören bekam, ich solle nicht so laut lachen oder nicht so empfindlich sein. Und die typischen Interessen hatte ich selten. Tendenz: introvertiert, kreativ, eine Leseratte und oft Aussenseiterin.

ADS/ADHSUm die 20 liess ich mir den Verdacht auf ADS bestätigen. Ich war mitten im 1. Studienjahr – mit viel Mühe und sehr vielen Hindernissen. Jetzt könnte man sagen, ist ja normal. Ja, vielleicht. Nur konnte ich Dinge nicht, die die meisten Kommilitonen konnten, zum Beispiel aufräumen oder ihre Dinge halbwegs vernünftig organisieren. Und sich konzentrieren.

HochbegabungGleichzeitig war da klar: dumm bin ich nicht. Ich bin hochbegabt. Festgestellt mit etwa 10 durch eine spezialisierte Psychologin. Im Nachhinein hebelt das die Hypothese aus, dass Hochbegabung und ADS nicht gleichzeitig da sein können. Die kursierte damals ab und zu rum.

Da ich Bekannte habe, die mit AD(H)S und ohne Hochbegabung durchs Leben gehen, und ebenso Menschen im Umfeld habe, die hochbegabt sind und kein AD(H)S haben, wurde da ziemlich offensichtlich, was die Kombination heisst: 
Die Hochbegabung hat es mir möglich gemacht, in vielen Themen trotzdem (schulisch) ganz gut zu sein. Ich hab irgendwie – und mit etwas Interesse auch ganz gute – Noten geschrieben. Das war für meinen ADS Bekannten deutlich schwieriger. Und im Vergleich mit Hochbegabten ohne ADS war für mich vieles mit mehr Hindernissen gespickt. Langeweile kannte ich zwar in den Dingen, die mir lagen, aber ich lernte tendenziell mit weniger Leichtigkeit. Schulstoff ist mir nur ganz selten einfach so geblieben. Und es gab kaum Prüfungen, die ich ohne lernen gemacht hatte und auch wirklich gut darin war.

Zurück zu meiner Studienzeit. Das ist recht typisch: dass ADS-Betroffene mit Hochbegabung bis Ende der Schule meist irgendwie durchkommen. Mal besser, mal schlechter. Aber im Grossen und Ganzen läufts. Und dann kommt das Studium. Gefühlt die 10-fache Anforderung in allerlei Dingen: erst mal exorbitant viel Lernstoff und damit auch der Selbstorganisation. Schon nur alles im Blick zu behalten, wird richtig schnell zur Herausforderung, wenn man keine Routinen hat, einen Kalender zu führen. Zusätzlich darf man am Anfang des Semesters diverse Termine nicht verpassen: man muss Vorlesungen belegen und zwar so, dass sie zum Studienplan passen und sämtliche Regelungen einhalten…;-) Nach einigen Semestern hat mir das richtig Freude gemacht, aber ohne innere Strukturen ist das vor allem eins: zu viel.
Für mich hat das bedeutet im Chaos fast zu ertrinken und sehr oft völlig überfordert zu sein. Gleichzeitig war da die Sache mit der Konzentration.

Jeder ADS-Betroffene kann sich konzentrieren – nur in der Regel nicht über die selbe Zeitspanne, wie die meisten Kommilitonen, Kollegen oder Freunde. Ich war damit oft genug wirklich verzweifelt, weil es einfach nicht ging, so sehr ich auch wollte.

Es folgte eine Zeit, wo ich mich auf die Suche begab nach Hilfen, um mit den ADS-Herausforderungen umzugehen. Das war zum einen eine medikamentöse Suche, die in meinem Fall relativ lange dauerte und seine eigenen Schwierigkeiten mit sich brachte. Und zum anderen lernte ich nach und nach, welche Strategien sonst helfen. Ich lernte, was ich brauche, damit ich aufräumen kann und wie ich Ordnung halte. Wie ich meinen Geist so entlasten konnte, dass ich trotzdem immer alles wichtige dabei hatte. Und ich akzeptierte, dass ich nicht wie andere 8h pro Tag in der Bibliothek sitzen kann.
Etwas vom allerwichtigsten war, zu erkennen, dass ich Menschen brauche, bei denen ich mich emotional stabilisieren konnte, indem ich mir ihr Gefühl ausleihen durfte. Mag komisch klingen, ist aber eine Wunderwaffe gegen emotionale Achterbahnen. Und schöner weise kostet sie auch mein Gegenüber nichts ausser da zu sein.

HochsensibilitätMit mehr Stabilität folgte eine neue Erkenntnis: ich bin zusätzlich hochsensibel.
Und ganz ehrlich: ich wollte zwar immer anders sein, aber schon mit der ADS Diagnose und der Hochbegabung kam der Gedanke, ja, aber nicht so anders.
Nun ja…
Woran mache ich das fest?
Ich hatte durch Zufall Elaine Aaron’s Buch in die Hände gekriegt. Und darin machte mich etwas stutzig: Sie sagt, sinngemäss, es gibt etwa 20% hochsensible Menschen (und Tiere!) in der Bevölkerung (bzw. Population). Erkennbar ist eine Hochsensibilität daran, dass diese 20% auf Reize auffallend stärker reagieren, als die anderen 80%. 
Mit etwa 18 war ich an einem super schönen Konzert von 8 Schlagzeugern in einer grossen Halle in Basel. Es war genial, bis zu dem Punkt, wo ich als Einzige, den Raum verlassen musste, weil die Künstler solch einen Lärm gemacht haben, dass ich es physisch nicht mehr aushalten konnte. Und ich war schon immer sehr reizoffen und reizempfindlich. Geräusche und Gerüche nehme ich seit Kindheit sehr fein war: mit allen Vor- & Nachteilen.Multitalent

Mit Anfang 30 kam zusätzlich der Begriff der Scanner-Persönlichkeit (B. Sher) bzw. die Vielbegabung zu mir. Ich war schon immer in vielen Dingen gut, aber nirgends wirklich wirklich gut. Ich liebte es schon immer, viele Dinge parallel zu machen. Und verlor regelmässig an Dingen, die ich eine Zeit lang richtig intensiv machte, das Interesse. So richtig zur Herausforderung wurde das eigentlich erst, als ich mich selbständig machte. Denn wie um Himmels willen bringt man IT, Coaching und Kunst zusammen?
Inzwischen weiss ich: in dem ich nicht alles beruflich machen muss ;-).

Die Themen ADS, Hochbegabung, Hochsensibilität und Vielbegabung sind nahe aneinander und zeigen zum Teil gleiche Symptome, so z.B. Reizempfindlichkeit, Unstrukturiertheit, Unkonzentriertheit. Entsprechend ist es auf den ersten Blick oft nicht so klar, was dahinter steckt. Sie alle: ADS, Hochbegabung, Hochsensibilität und Vielbegabung, sind für mich Spektren, die zum Teil ineinander übergehen. Ergo ist eine Abgrenzung oft nicht leicht.
Besinnt man sich auf die Essenz davon, ist es für mich aber überraschend klar zu erkennen, wann welche Ausprägung der Kern der aktuellen Herausforderung ist. Als Coach frage ich mich primär, was hilft. Und dort mache ich die Erfahrung, dass ähnliche Tools bei verschiedenen Themen wunderbar helfen. Und aus dem Aspekt ist es für mich viel weniger wichtig geworden, herauszufinden, was es ist und stattdessen mich auf die Suche zu machen, was denn hier helfen könnte.

In diesem Sinne wünsche ich mir vor allem eins: Finde heraus, was dich ausmacht und finde Menschen, die dich lehren und unterstützen, mit deinen Herausforderungen gut umzugehen.

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